Therapieansatz
DortMuT ist ein integrativer Therapieansatz mit sprachtherapeutischen, psychodynamischen, kognitiv-behavioralen und systemischen Elementen. Seine Basis ist das Therapiekonzept für selektiv mutistische Kinder von Nitza Katz-Bernstein (erstmals 2005). Dieses wurde in den letzten Jahren über die klinische Arbeit mit betroffenen Personen im Sprachtherapeutischen Ambulatorium (SpA) der TU Dortmund ausdifferenziert und erweitert. Zielgruppe von DortMuT sind selektiv mutistische Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien.
Klinische Erfahrungen legen gute Erfolge der Therapiekonzeption DortMuT nahe. Zur Evaluation des Konzeptes wurde ein videogestütztes Beobachtungsinstrument (DortMut-InA – Dortmunder Mutismus Interaktions-Analyse) entwickelt und erprobt. Mit diesem wurden konzeptionsspezifische therapeutische Interaktionsangebote sowie responsive Äußerungen und sprachliche Handlungen der Kinder/Jugendlichen systematisch beobachtet und analysiert.
… von DortMuT ist die Annahme, dass jedem Menschen eine Motivation zur Kooperation und Kommunikation mit anderen Menschen angeboren ist (Tomasello, 2009). Von dieser kooperativen Bereitschaft wird auch bei jedem schweigenden Menschen ausgegangen. Ihm wird unterstellt, dass er grundsätzlich sprechen möchte – wenn er es könnte! Er möchte sich ebenso wie alle anderen Menschen als kommunikatives Wesen erfahren, das seine Intentionen und Befindlichkeiten mit Anderen sprachlich austauschen kann.
… von DortMuT ist die sozial-interaktive/pragmatische Theorie des Spracherwerbs (Bruner, 1987; Nelson, 1985 und 1996: Tomasello, 2006 und 2009; Wygotsky, 1964). Demnach erfolgt der Spracherwerb durch wechselseitige Interaktionsprozesse mit bedeutsamen anderen Personen und abhängig von bedeutsamen Handlungszusammenhängen. DortMuTT zielt also grundlegend auf die Gestaltung von für die schweigenden Kinder/Jugendlichen bedeutsamen Interaktionssituationen ab, in denen die Therapeut*in eine bedeutsame Interaktionspartner*in ist. Wichtig ist die Schaffung eines gemeinsamen emotionalen Hintergrundes (Tomasello, 2009), auf dessen Basis Fein- und Fernziele der Therapie nicht etwa von Anfang an vorgegeben sind, sondern im dynamischen Prozess miteinander ausgehandelt werden.
… von DortMuT ist nicht nur, dass das schweigende Kinder/der schweigende Jugendliche bald sprechen wird. Vielmehr soll er sich selbst als sozial kompetenter kommunikativer Akteur (Tomasello, 2009) erleben, der am sozialen, gesellschaftlichen und beruflichen Leben vollwertig partizipieren kann. Dieser Prozess kann ein durchaus längerer, von Stagnationen und Krisen gekennzeichneter Weg sein. Allerdings kann so der Therapieerfolg auch nachhaltig wirken.
…. von DortMuT sind (1) die gezielte Gestaltung der therapeutischen Beziehung und (2) Vernetzung der Lebenskontexte des betroffenen Kindes/Jugendlichen. Geschützte Ausgangsposition bildet der dyadische Kontext des therapeutischen Settings, das heißt der Kontakt zwischen Kind/Jugendlicher und Therapeut*in. Etwaige Anforderungen des Umfeldes (Eltern, Schule) werden in der Anfangsphase der Therapie bewusst außen vor gelassen. Erst mit zunehmenden kommunikativen Kompetenzen des Kindes/Jugendlichen werden nach und nach auch andere Personen in die Therapie einbezogen und der Sprechtransfer wird ins Außen gerichtet. Die nachhaltigsten Erfolge sind zu erzielen, wenn – im Idealfall – die unterschiedlichen sozialen Kontexte (etwa Schule, Familie, Freunde) des schweigenden Kindes/Jugendlichen miteinander kommunizieren und es/ihn so gemeinsam unterstützen.
… von DortMuT lassen sich über maßgeblich drei Ansätze kennzeichnen:
(1) spezifische therapeutische Interaktionsangebote zur Gestaltung der Beziehung zwischen Kind/Jugendlicher und Therapeut*in,
(2) Techniken einer ressourcenorientierten Verhaltensmodifikation oder kognitiv-behavioralen Methodik zum sukzessiven Sprech-/Sprachaufbau und zur Erweiterung der Sprechleistungen im sozialen Umfeld (Sprechtransfer) und
(3) Elemente der systemischen Arbeit (Vernetzung und Beratung).
… von DortMuT orientieren sich immer ressourcenorientiert am Selbstwirksamkeitserleben des schweigenden Kindes/Jugendlichen. In der Anfangsphase der Therapie steht beispielsweise nicht das Sprechen, sondern vielmehr das Erleben des Kindes/Jugendlichen als erfolgreicher – auch nonverbaler – sozialer Akteur im Vordergrund. Als weiteres wichtiges Prinzip ist die Entwicklung von einem primär geschützten Setting in der Therapie hin zu sozialer Anforderung in Form von Transferarbeit zu nennen. Eine positive Unterstellung, dass das Sprechen irgendwann gelingen wird, vermittelt als durchgängiges Prinzip einen therapeutischen Optimismus, der als einer der wichtigsten Wirkfaktoren in der Behandlung gilt (Miller et al., 2000).